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VorbereitungVorbereitung

Zum 8. November 1938 beschließt Elser, von Königsbronn nach München zu fahren, um abzuchecken, wo er im Bürgerbräukeller seine Idee verwirklichen könne. Er wird fündig: Hitler redete nämlich stets vor der gleichen tragenden Säule im großen Saal. Dort hinein musste also die Bombe gebaut werden. Die ,,alten Kämpfer“ bewachten den Saaleingang nur lässig.

Elser hätte dort im Bürgerbräu 1938 den 22-jährigen Maurice Bavaud treffen können, einen Schweizer Theologiestudenten, der wie er den Plan hatte, Hitler auszuschalten. Es gelang ihm nicht, er wurde beim Schwarzfahren im Zug erwischt, seine Pistole gefunden und er bekannte schließlich, Hitler umbringen zu wollen. Nach anderthalb Jahren Haft wurde er in Plötzensee ermordet.

Aus der Rede des zwölf Jahre jüngeren Bruders Adrien (2001 in der Elser Gedenkstätte in Königsbronn gehalten):
,,Maurice Bavaud, mein Bruder, wurde in Neuchâtel in der Schweiz, im französischsprachigen Teil unseres kleinen Landes, geboren. Er war der Älteste unserer Familie mit sieben Kindern… Der Tod meines Bruders setzt allen übrig gebliebenen Fragen kein Ende. Warum hat er das gemacht? Wie kam er auf die Idee, dass Hitler eine Geisel für die Menschheit wäre? Welches war die Rolle der Schweizer Regierung in diesem Drama?

Die deutsche Nachkriegsregierung hat Maurice Bavaud offiziell rehabilitiert. Die Schweizer Regierung hat geschwiegen. Für uns tilgt die Schweiz ihre wenig ruhmreiche Vergangenheit schlecht. Seinen Versuch, den Führer zu beseitigen, hat er für uns unternommen, um Tausende von Opfern zu vermeiden. Er hat sein Leben für eine Sache geopfert. Die Sache hat ihm Monate großen Leidens und das Leben gekostet. … Ich verstehe seine Tat als Tat eines Idealisten, aber nicht eines Utopisten. An dem Tag, an dem der ldealismus die Oberhand über den Merkantilismus gewinnen wird, wird es weniger Elend geben.“

Sie sind vielleicht aneinander vorbeigegangen, 1938 im Bürgerbräukeller, Bavaud und Elser – wir wissen es nicht.

Wieder zu Hause in Königsbronn schwieg Elser weiter und bastelte an seiner ,,Höllenmaschine“. Im Steinbruch Vollmer, wo er inzwischen arbeitete, ließ er Dynamit mitgehen. Bei Waldenmaier hatte er bereits Zünder organisiert. Die Bombe wurde im väterlichen Garten am Rande von Königsbronn getestet.

Im April 1939 fahrt er noch einmal kurz nach München, um die Säule abzumessen, im August 1939 mietet er sich erst in der Blumen- dann in der Türkenstraße ein. Auf Fragen der Zimmerwirtinnen, was er denn so mache, antwortet er, er arbeite an einem Patent, über das er aber noch nicht reden könne.

Über dreißig Nächte verbringt im Bürgerbräu Keller: nach dem Abendessen‘ unauffällig wie er war, ging er auf die Empore, versteckte sich in einem Putzraum, bis der Bierkeller schloss und er mit seiner Arbeit beginnen konnte: Einen Hohlraum für die Zeitzünderbombe in die Säule zu meißeln, um dort den Sprengkörper zu platzieren. Den Strahl der Taschenlampe hatte er mit einem blauen Tuch verdunkelt.

Alle zehn Minuten ging auch nachts die automatische Klospülung. Während dieser Zeit verrichtete Elser die lauteren Arbeiten. Die Wachmannschaft ein paar Räume weiter durfte nichts mitbekommen und der Hund des Nachtwächters ihn nicht verraten. Was der auch nicht tat, wohl weil Elser ihm oft etwas von seinem Abendessen abgegeben hatte.

Als er doch einmal auffiel, hatte er zwei Ausreden parat: Er wolle im Saal unbemerkt einen wichtigen Brief schreiben oder dort ein Furunkel (eitriges Geschwür) ausdrücken – man glaubte ihm. Er wirkte ehrlich.

Er arbeitete ungefähr bis drei Uhr nachts auf den Knien, danach döste er, bis der Bierkeller gegen halb sechs in der Früh wieder geöffnet wurde und Elser unauffällig durch den Hintereingang an der Kellerstraße oder durch den Haupteingang an der Rosenheimer Straße hinausgehen konnte.

Den Schutt trug er in einem Koffer bis zum Müller’schen Volksbad, wo er ihn in die Isar kippte. Dann ging er zum Schlafen in sein Zimmer in der Türkenstraße 94, wo er seit September 1939 beim Polsterer-Ehepaar Alfons und Rosa Lehmann wohnte, die ihn einen ,,Häuslschleicher“ nannten: Einen, der leise und unerwartet irgendwo auftauchte und einen erschreckte.

Einmal fand Rosa Lehmann ihn – als sie sein Zimmer putzen wollte – noch im Bett liegen. Er habe Knieschwamm, behauptete er. Ein anderes Mal entdeckte sie in seinem Zimmer Uhren und einen Akkumulator. Sie rief ihren Mann: „Der wird doch keine Höllenmaschine bauen wollen“, meinte der trocken. Und beide hätten sie herzlich gelacht. Was ihnen freilich bald verging. Da wurde nach dem Attentat Alfons im Wittelsbacher Palais, der Gestapo-Zenttale verhört und wochenlang eingesperrt wegen Mitwisser- oder gar Mittäterschaft. Danach an die Ostfront geschickt, wo er 1944 fiel. Rosa Lehmann blieb allein mit den Kindern zurück. Der ,,Häuslschleicher“ war schuld. Bis an ihr Lebensende zürnte sie ihn.

Elser hatte sein Zimmer nur bis Ende Oktober 1939 gemietet. Die Novembernächte durfte er in der Werkstatt des Schreiners Brög in der Türkenstraße 59 verbringen, der ihn dort auch hatte arbeiten lassen, so vertrauensvoll wirkte er. Der Schorsch. Der Kollege.

In den Monaten des Einbaus kam ihm seine Disziplin, seine Coolness und sein Perfektionismus zupass.