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Nazi-Presse

Michael von Faulhaber
Kardinal Michael von Faulhaber

Erst eine Woche nach Elsers Geständnis stieg die Presse voll auf das Thema ein. Tenor: Das deutsche Volk sei empört und entsetzt über diese ruchlose Tat, aber auch wieder erleichtert und glücklich, dass die „Vorsehung“ ihre Hand schützend über den „geliebten Führer“ gehalten habe. Er habe ja schließlich seine „Mission“ noch nicht erfüllt. Dieser Diktion schlossen sich auch Kardinal Faulhaber (in einem Telegramm)
und der päpstliche Nuntius in einem Gratulationsbesuch – er wohnte ja direkt gegenüber vom „Braunen Haus“ in der Briennerstraße – an. Dankesgottesdienste und Jubelfeiern wurden veranstaltet, keiner gedachte laut des eingekerkerten Elser.

Faulhaber schrieb in seinen 2020 noch nicht veröffentlichten Tagebuchseiten (in Gabelsberger Stenoschrift, transkribiert von Edelgard Dankerl):

„Mittwoch 5.11.1939
Der 9. November soll in diesem Jahr sehr einfach begangen werden. Abends der Führer mit seinen alten Kameraden im Bürgerbräu. Nach seinem Weggang ein Sprengstoffattentat, das eine furchtbare Verwüstung anrichtete. 7 Tote, darunter eine Frau. Der Hl. Vater durch den Nuntius Beileid. In [möglicherweise verschrieben] am anderen Tag, als ich es erfuhr, eine furchtbare Aufregung – Besuche keine.

(„Abends“ hieß wohl: am 8. November)

Donnerstag 9.11.1939
11h Staatsakt an der Feldherrnhalle. Stellvertreter Hess spricht. Der Führer besucht die Verwundeten in den Krankenhäusern‘

Freitag 10.11.1939
Die Beisetzung der Toten im Nordfriedhof. Geläute wird nicht verlangt, auch keine geistl. Ass. Wir halten von uns aus am folgenden Sonntag im Dom ein Tedeum.“

(Ass: wohl Assistenz)

Erstaunlich:
am 5.1.39 schreibt Faulhaber bereits über den 9. November, „Abends mit den alten Kämpfern im Bürgerbräu“. Es war aber der 8. November. „Am anderen Tag“, also am 10.11.39 hätte er es erst erfahren, das stimmt so sicher nicht. Am 10.11. schreibt er: „Wir halten von uns aus … ein Tedeum“. Als freiwilligen Dank für die Erhaltung des Führers.

Immer wieder hört man in München die Forderung, man möge doch die Kardinal-Faulhaber-Straße in Kurt-Eisner-Straße umtaufen.

Wer der Geheimdienst-Theorie misstraute und bedauerte, dass das Attentat sein Ziel leider nicht erreicht hatte, wurde denunziert und ins KZ gebracht. Wie Karl Leisner aus Kleve, der im KZ Dachau 1944 heimlich zum Priester geweiht wurde, ein Jahr darauf starb und 1996 seliggesprochen wurde.

Oder Korbinian Aigner, der „Apfelpfarrer“ aus Hohenbercha bei Freising, der auch wie Elser, in die KZ’s Sachsenhausen und Dachau kam, wo er heimlich vier neue Apfelsorten züchtete, die er KZ 1 bis KZ 4 taufte. Aus KZ 3 wurde später der „Korbiniansapfel“, der heute noch in seiner Heimat angebaut wird. Auf dem Todesmarsch der Dachauer KZ-Häftlinge gelang es ihm auszuscheren, sich in einem Kloster zu verstecken, bis der Krieg zu Ende war. Danach führte er bis 1966 seine Pfarrei weiter, zeichnete und züchtete Äpfel, fast mehr Pomologe als Geistlicher.

Wiewohl die Nazi-Diktion: Elser habe im Dienst des britischen Geheimdienstes gehandelt, offiziell nicht hinterfragt werden durfte, nahm die Gestapo alle, die auch nur entfernt mit Elser zu tun hatten, fest und verhörte sie:

Die Familie Elser aus Königsbronn, Freunde Bekannte, seine letzte Freundin Elsa Härlen, den Mann der Münchner Zimmerwirtin Alfons Lehmann und alle, die in München irgendwie Kontakt mit ihm hatten. Das Personal des Bürgerbräukellers wurde eingesperrt, dem Wirt Payerl die Konzession entzogen. Die Nazis konnten nicht glauben, dass ein Einzelner ein derartiges Attentat planen und ausführen konnte, dazu noch ein einfacher Schreiner! Gegen den von der „Vorsehung gesandten Führer!“

Dennoch sollte nicht verschwiegen werden, dass durch die ausschließliche Konzentration auf seine Idee Elser im eigenen Umfeld für tiefes Leid verantwortlich war, das die Betroffenen ihr Leben lang begleitete: die Familien der Toten und Verwundeten, die eigene Familie, das eigene Dorf.

Als Vater hatte er versagt, auch als Geliebter und angedachter Ehemann der Elsa Härlen, die sich seinetwegen hatte scheiden lassen. Seitdem er sich in München ausschließlich seiner selbst gestellten Aufgabe widmete, hatte er die Verbindung zu ihr abgebrochen.

Mit am härtesten traf es die Zimmerwirtin Rosa Lehmann: sie verlor ihren Mann, den Ernährer und stand mit ihren Kindern allein da. Sie hatte schon vorher von ihren dreieinhalb Zimmern zweieinhalb vermieten müssen. Elser hatte pro Woche 4 Reichsmark gezahlt.