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5. Joachim Ziller (geboren 1961)

Joachim Ziller, Leiter der Georg Elser Gedenkstätte in Königsbronn, mit einer Elser-Schatulle mit Intarsien.
Joachim Ziller, Leiter der Georg Elser Gedenkstätte in Königsbronn, mit einer Elser-Schatulle mit Intarsien.

Fünfzig Jahre lang wurde der Elser in seinem Heimatdorf verschwiegen, vergessen, verdrängt „Unmittelbar nach der Festnahme und dem Geständnis von GeoröElse1ÜnÄMünéhen fing die Suche nach Hintermännern an. Die Nazis wollten nicht an einen Einzeltäter glauben. Elser hatte gestanden, den Sprengstoff während seiner Arbeit im Königsbronner Steinbruch Vollmer entwendet zu haben. Für die Gestapo war es nicht vorstellbar, dass dies ohne Mitwisser möglich gewesen wäre. Und die vermuteten sie in Königsbronn. Wo sonst? In den Wochen nach dem Attentat auf Hitler fiel die Gestapo in den ca. 1750 Einwohner zählenden Ort bei Heidenheim auf der Schwäbischen Alb Sie verbreitete Angst und Schrecken. Elser, der in den Gaststätten und in der Tanzschule musizierte, was Mitglied im größten Verein, dem Gesangverein Konkordia, und daher allen im Ort bekannt.

Deshalb wurde auch der gesamte Ort von der Gestapo terrorisiert: Jeder, der Elser gekannt hatte, wurde verhört. Die Verhöre, die im Rathaus stattfanden, wurden äußerst brutal geführt: es wurde gedroht, geschlagen und sanktioniert. So ist überliefert, dass man einem Freund Elsers nur wenig Zeit gab, um sich von seiner Familie zu verabschieden. Er wurde an die Front nach Polen beordert. Auch ein wehruntauglicher Bekannter wurde „zur Frontbewährunga wehrtauglich geschrieben und in den Krieg geschickt. Alle, die diese Zeit im Ort miterlebt hatten, waren traumatisiert. Es war eine Schande, aus „Attentatshausen* zu kommen, wie die Nazis Königsbrotten. Es entwickelte sich ein unbändiger Hass auf Elser, den man fiir diese Misshandlungen verantwortlich machte. Nach dem Krieg wurde das Thema, wie überall, auch in seiner Heimat verschwiegen, man hatte beim Aufbau schließlich andere Sorgen. Es war außerdem lange Zeit nicht klar, wie man das Attentat einzuordnen hatte.

War Elser ein Einzeltäter, oder war er vom britischen Geheimdienst gesteuert, wie die Nazis behaupteten? Oder stimmte gar die These, die Pastor Niemöller nach dem Krieg bis zu seinem Tod verbreitete, dass Elser ein SS-Unterscharführer war, der im Auftrag der Nazis sein Werk vollbrachte, um Hitlers Unverwundbarkeit zu beweisen? Während des Kalten Krieges in den 60er Jahren gab es sogar das Gerücht, dass er als Kommunist im Auftrag Moskaus gehandelt hätte. Erst als 1964 die Berliner Verhör-protokolle, der Schlüssel zur Gedankenwelt des Georg Elser, gefunden und Jahre später veröffentlicht wurden, bahnte sich allmählich ein Umdenken an. Doch in den 70er Jahren, im sogenannten Deutschen Herbst, herrschte die Angst vor Anschlägen und Morden der Roten Armee Fraktion. Auch wenn man diesen Widerstand nicht vergleichen konnte, der Widerstand der RAF richtete sich gegen eine Demokratie, in der im Prinzip jeder Einzelne Rechte hatte.

Bei Hitler zählten die Menschenrechte gar nicht mehr, Elser nahm sich das Recht, das heute den Artikel 20 Absatz 4 Grundgesetz geprägt hat: *Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.‘ Während man Elser auch in den 70er Jahren bis Ende der 80er Jahre in der Geschichtsschreibung der Bundesrepublik nie eindeutig einordnen konnte oder wollte — die Protokolle waren schließlich schon veröffentlicht — war es in Königsbronn immer noch nicht möglich, Elser und seine Tat zu thematisieren. Sie wurde verschwiegen, vergessen und verdrängt. 50 Jahre lang. Es bedurfte eines Neustarts. Der kam in Königsbronn mit dem Bürgermeisterwechsel: Am 01.06.1990 wurde Bürgermeister Michael Stütz als Nachfolger des über 37 Jahre tätigen Bürgermeisters Karl Burr gewählt. Stütz ging das Thema gleich offensiv an.

Noch im gleichen Jahr fasste der Gemeinderat den Mehrheitsbeschluss, ein Elser-Archiv einzurichten. 1995 fand in Königsbronn die erste öffentliche Würdigung Elsers im Beisein seines Sohnes Manfred und seines Bruders Leonhard statt. Dank der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin und hier insbesondere dank deren Leitern Dr. Johannes Tuchel und Prof. Peter Steinbach wurde dann am 14. Februar 1998 die Georg Elser Gedenkstätte in Königsbronn als Zentrum flir Erinnerung und Forschung mit einer Dauerausstellung eingerichtet, deren Leiter ich seither bin. Jährlich haben wir über 2 000 Besucher. Mit Vorträgen, Symposien, Diskussionsrunden und eigenen Dokumentationen hat sich die Georg Elser Gedenkstätte einen Namen im ganzen Land gemacht.

Sogar im Ort selber hat man seinen Frieden mit dem Hitler-Attentäter geschlossen. Elser wird anerkannt als jemand, der sich einem barbarischen System in den Weg stellte und durch seine Tat pein noch größeres Blutvergießen verhindern wollte* , wie er sagte. 2019 hat sogar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Gedenkstätte in Königsbronn, nach der Einweihung des Elser-Denkmals im benachbarten Hermaringen, seinem Geburtsort, besucht. Was zeigt, wie hoch die Anerkennung inzwischen gestiegen ist. Steinmeier sprach von einem großen Mann, der viel zu lange kleingeredet worden war. Ein wichtiger Teil der Arbeit der Georg Elser Gedenkstätte ist der Kontakt mit Schülern und Studenten. Dabei werden diese Fragen am häufigsten gestellt: , Was wäre geschehen, wenn das Attentat geglückt wäre?‘ , Auch wenn man viele retten wollte, darf man trotzdem jemanden töten?‘ , Wie hat Elser den Mut aufbringen können zu handeln, wo Millionen sagten: Sie hätten nichts gewusst?‘

Georg Elser ließ sich nie von der Propaganda der Nazis beeinflussen. Er erkannte die Menschenverachtung und die kriegerischen Absichten des Regimes. Er litt darunter und handelte. Gerade heute müssen wir den Jugendlichen mit auf dem Weg geben, wie wichtig unser demokratisches Grundgesetz ist. Diese dort verinnerlichten Menschenrechte gilt es zu bewahren und zu verteidigen. Nur wenn uns dies gelingt, wird der Artikel 20 Abs.4 des mcht riléhr nötig’ä@» andere Abhilfe nicht möglich is kDäitn“häfféifiVir aus Elsers Tat gelernt.“