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8. Hellmut Haasis (geb. 1942), Schriftsteller und Elser-Biograf

Elserbiograf: „Elser hatte nichts gemein mit den Kraftmeiern. Er tickte anders.“

Hellmut Haasis
Hellmut Haasis

Wie tickte Elser?
„Total anders. Als Hitlers Partei im Reichstag die zweitstärkste wurde (1930), erkannte Elser: HITLER BEDEUTET KRIEG. Beweise dafür sah er im deutschen Militäreinsatz beim Spanischen Bürgerkrieg. Er beobachtete 1936, wie der Schreinermeister, bei dem er arbeitete, einen verdächtig großen Auftrag fir Schreibtische bekam, von der Wehrmacht. Kriegsplanung. Ab jetzt war Elser nichts wichtiger, als den Krieg zu verhindern. Und wenn niemand den Kriegstreiber stoppen wolle, müsse der eben in die Luft gesprengt werden. Elsers jahrelange Vorbereitungen waren so geschickt, dass die Gestapo nichts bemerkte.

Elser besorgte Sprengstoff, Zündkapseln, er bekam Zugang zum einzigen Saal, in dem Hitler keinen Polizeischutz wollte und die Naziführung versammelt war. Woher wusste Elser, was er bei einer Höllenmaschine beachten müsste? In einem Nähmaschinengeschäft kaufte er ein Heft flir Pioniere: 50 Pfennige. Alles Weitere war sonderlich schwer zu besorgen, wenn, ja wenn jemand bloß wollte. Aber wer beseitigen? Den vorgeblichen Erlöser. Elser stellte sich harmlos: *Ich arbeite an einer Erfindung. * Die Gestapo begriff erst lange nach der Explosion, dass Elser seine Höllenmaschine gemeint hatte. In drei Monaten hatte er sich immer wieder nachts in den Saal einschließen lassen, um in den tragenden Pfeiler der Saaldecke eine Sprengkammer zu bohren.

Mit einem Handbohrer! Das Dynamit war so geschickt verdämmt, dass Sprengexperten nachher einen Zentner Sprengstoff vermuteten, tatsächlich waren es nur zehn Kilo. Die Sprengung wurde von zwei Uhrwerken gesteuert. Woher nehmen? Aus Schwarzwalduhren. Elsers Apparat war so raffiniert, dass kein Kriminalist etwas davon verstand. Elser wusste, in so einem Staat, bei solchen Landsleuten und Militärs kann man gegen Hitler nur allein handeln. Schon ein Zweiter ist zu viel. Gestapo und Geheimdienst glaubten, Elser könne die Maschine unmöglich selbst gebaut haben, englische Geheimagenten hätten sie ihm besorgt. Wie wollte Elser das widerlegen? Er ließ sich dasselbe Material geben, er werde den Apparat in wenigen Tagen nachbauen unter Aufsicht. Die Maße hatte er im Kopf. Nun wurde er einige Tage und Nächte eingeschlossen. Der Apparat funktionierte. Gestapo und selbst SS-Führer waren überzeugt,

Hitler nicht, der glaubte weiterhin an englische Geheime. Elser bewies in der Haft eine überlegene Intelligenz. Als er im gefragt wurde, warum er den Führer beseitigen wollte, sagte er trocken: Hitler fängt mit allen Nachbarstaaten Streit an, um einen Krieg führen zu können. Gestapo: Hitler habe doch nach der Zerstörung der Tschechoslowakei gesagt, nun habe er keine „territorialen Forderungen“ mehr. Elser: Das habe er schon oft erzählt. Bei uns sagt man: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er gleich die Wahrheit spricht. „Elser unterschied sich gründlich von der Nazigeneration. Im Verhör fragte man ihn, ob Deutschlands vergrößert werden müsse? Ach nein, ihm sei Deutschland groß genug. Elser hatte nichts gemeinsam mit den Kraftmeiern.

Er soff nicht, am Bodensee schloss er sich im Schweizer Grenzort Kreuzlingen dem *Freien Abstinenzverband$ an. Er verprügelte seine Freundinnen nicht, was selten war. Bei Frauen war er sehr beliebt. Heiraten wollte er keine. Sein Grundsatz: Liebe und Ehe ist nur im Frieden möglich. Warum entkam Hitler? Der wollte am nächsten Morgen wieder in Berlin sein, um die Invasion nach Frankreich vorzubereiten. Wegen des erwarteten Nebels konnte er am nächsten Morgen nicht mit seiner Junkers starten. Also nahm er am Abend vorher einen Sonderzug, der ihn zurückbrachte. Hitler ging 13 Minuten vor der Explosion, nur wegen seines Zuges. Sonst hätte ein großer Teil der anwesenden Naziführung bald tot unter der Saaldecke gelegen. Über dem Rednerpult, wo Hitler gestanden hätte, lagen drei Meter hoch Stahlträger und riesige Brocken.

So nahe wie Elser kam kein anderer Widerstandskämpfer seinem Ziel. Dennoch hängt über Elser die Behauptung der Besseren Leute‘, Elser wär nur ein einfacher Schreiner* gewesen. Ohne Gymnasium, ohne Abitur, ohne Studium Doch die vielen, die das alles vorweisen konnten, tickten in den entscheidenden Jahren nicht richtig.“