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7. Hella Schlumberger (geb. 1943), Schriftstellerin und Gründerin der Georg-Elser-Initiative München

Georg-Elser-Initiative München: „Für enge Freundinnen wurde die allzu große Nähe zu Georg zum traurigen Schicksal.“

Heller Schlumberger
Heller Schlumberger

Georg Elser und die Frauen „Unehelich geboren, wie zuvor bereits die Mutter und später sein eigener Sohn, lernt Georg Elser schon früh Gewalt kennen und Verantwortung zu übernehmen. Der Vater, Bauer und Holzhändler, kam nach guten oder schlechten Geschäften oft
betrunken nach Hause und prügelte Frau und Kinder. Auch in der Schule wurde geschlagen, Georg mit dem Feld arbeiten und sich um die jüngeren Geschwister kümmern, wobei dann keine Zeit mehr für die Hausaufgaben blieb, was unerbittlich Strafe nach sich zog. Georg hatte einen Bruder und drei Schwestern, von denen Maria ihm die liebste war. Sie heiratete später den Metzger Hirth in Stuttgart.

Zu ihr brachte Georg nach dem Ende des im Bürgerbräukeller seine Werkzeuge. Ihr vertraute er an, dass er jetzt in die Schweiz müsse, bevor er am 7. November 1939 nach einmal nach München fuhr, sich noch einmal im Saal einschließen ließ, um die beiden Uhren seiner „Höllenmaschine* zu überprüfen, Marias Sohn Franz Hirth behauptete sein Leben lang, der einzige noch lebende Verwandte von Elser zu sein, was nicht stimmte. Laut Elser-Biograf Haasis tummelt sich noch mindestens ein Dutzend weiterer Verwandter 2021 im schwäbischen Raum.

Nach Schule, Tanzstunde und Abschlussprüfung in der Berufsschule als Bester, arbeitete er als Schreiner in und von Königsbronn aus. Seinen Verdienst musste er zu Hause abliefern, für ihn blieb nur *Kost und Logis«.
Auf den wenigen Fotos aus dieser Zeit zeigt sich Georg gern von Mädchen oder jungen Frauen umgeben. Als er 1925 auf die Walz geht — ein Muss für jeden Handwerksgesellen der Zeit — beginnt für ihn ein neues Leben. Im Bodenseegebiet um Konstanz, Meersburg und der Schweiz
arbeitet er in verschiedenen Betrieben und kann jetzt seinen Lohn behalten. Hat plötzlich Zeit für sich und ein bisschen Geld. Erotisiert und politisiert sich: Trachtenverein und kommunistische Partei.

Er kauft sich eine Konzert-Zither, spielt auf, hat in Konstanz verschiedene Freundinnen, Hilde Lang, die Modistin, und Mathilde Niedermann, das Serverfräulein, die sogar von ihm schwanger wird. Eine Abtreibungsreise in die Schweiz bringt nicht den erwünschten Erfolg, Sohn Manfred wird 1930 geboren. Georg überlegt kurz, den Buben seiner eigenen Mutter anzuvertrauen, verwirft den Gedanken aber wieder. Er lässt Mathilde einfach sitzen. Jahre später heiratet sie einen Kollegen Georgs aus dem Zitherclub, Hafis Bühl, der Manfred adoptiert. Der Elsersohn erfährt erst mit neun Jahren, sagt er, wer sein richtiger Vater war, für den er sich lange schämt. Erst wenige Jahre vor seinem Tod 1997 änderte er seine Meinung, begann stolz auf ihn zu sein, der so nahe dran war, den Kriegstreiber Hitler auszuschalten. Das erzählte er zum ersten Mal in der Öffentlichkeit bei der Einweihung des Georg-Elser-Platzes in der Maxvorstadt in München im Januar 1997. Monate später war er tot.

Zurück ins Bodenseegebiet: Dort trat Georg Elser mit Zither oder Ziehharmonika, allein oder mit Musikerfreunden, gern in Wirtschaften auf, mit oder ohne Tanz. Jedenfalls hatte er, gutaussehend und zurückhaltend wie er war, beste Chancen bei den Damen. Ein Mann, ein Arbeitskollege, nahm ihn mit zur kommunistischen Partei, wo sich Georg bald dem bewaffneten Arm, dem Rotfrontkämpferbund anschloss — ohne dort je aktiv zu werden. Aber er lernte: *Hitler bedeutet Krieg“. Dieser Satz sollte sein weiteres Leben bestimmen. Musik und Mädels oder Politik und Kumpels waren die Schwerpunkte von Georgs Privatleben in diesen sieben Jahren. 1932 erreicht ihn der Hilferuf seiner Mutter: Er möge zurückkommen, der Vater habe den Hofrulnaért, man müsse ein Häuschen in Königsbronn finden.

Georg kehrt in die ländliche Enge zurück, wohnt allerdings nicht mehr bei den Eltern, sein Bruder Leonhard hatte sein Zimmer beansprucht. Er macht weiter Musik bei Festen, in Musikvereinen wie der „Concordia“ oder in der Wirtschaft „Hecht“: Zither, Bandoneon oder Bassgeige. Mädchenbekanntschaften inklusive. Mit Elsa Härlein, einer seiner Wirtinnen, schien sich in diesen Jahren etwas Ernstes anzubahnen: Es wurde von Heirat gesprochen und eine Umsiedlung in die Schweiz erwogen.

Elsa hatte Georgs wegen sogar ihren — ebenfalls gewalttätigen — Mann verlassen und war ganz auf ihren Geliebten und ihre gemeinsame Zukunft fixiert als Elsa Elser. In Georg aber arbeitete die Erkenntnis, dass Hitler Krieg bedeutete. Was konnte dagegen
getan werden? Wie sollte der Krieg verhindert werden? Da gab’s eigentlich nur eines: Hitler und seine engsten Kollaborateure wie Goebbels, Himmler, Göring verschwinden zu lassen. Wann? Wo und wie? Obwohl kein Tageszeitungsleser, wusste doch, dass der „Führer“ seit seiner Machtergreifung 1933 jeden 8. November mit seinen „alten Kämpfern“ im Bürgerbräukeller seines missglückten Putsches von 1923 gedachte.

Am 9. November wurde der sogenannte „Marsch zur Feldherrnhalle“ (er sollte eigentlich weichen) nachgestellt, am Abend zuvor hielt Hitler seine Rede im Saal des Bürgerbräukellers. Und zwar stets vor der gleichen Säule. Also…
1938 hörte sich Georg die Rede live an, inspizierte im Frühjahr 1939 den geplanten Tatort, vermaß und fotografierte die Säule, mietete sich im August 1939 in München ein: zuerst in der Blumenstraße, dann bis 1.11. in der Türkenstraße 94, Els‘,wKrtete, dachte und schrieb an Georg. Aber der war nunmehr von seiner besessen: Abendessen im Bürgerbräu, Flirt mit den Bedienungen, die er sogar fotografierte und ihnen die Abzüge schenkte. Weil er so freundlich und unauffällig war, hegte niemand Argwohn, wenn er spät abends wieder ging. Zwar nicht zu seinem Zimmer, sondern in den oberen Saal, wo er seine Höllenmaschine in die Säule einbaute, nachdem der Bürgerbräu geschlossen war.

Weil am 8.11.1939 Hitler und die Nazibosse{ früher gegangen waren LSiéäfiussten den Zug nach Berlin nehmen, weil der Nebel den Flug verhinderte — scheiterte das Attentat. Georg wurde am gleichen Abend in Konstanz, 20 m von der Schweizer Grenze entfernt festgenommen, nach München gebracht, verhört, gefoltert, bis er nach einer Woche gestand, der alleinige Hitzerattentäter zu sein. Er wurde die nächsten 5 1/2 Jahre in KZs gesteckt, von wo aus, wenn überhaupt, er Frauen nurmehr durch seine Zellenfenstergitter sehen konnte.

Obwohl das Attentat offiziell dem britischen Geheimdienst zugeschrieben wurde, verhafteten SS und Gestapo Elsers Verwandte, Freunde und Arbeitskollegen, schafften sie über Stuttgart nach Berlin, wo auch sie Verhören untermgen wurden, die freilich nichts
brachten, nichts bringen konnten. Mit Elsa Härlein wurde eine Ausnahme gemacht: Der „Führer“ persönlich stellte ihr Fragen, die freilich auch ohne erwartetes Ergebnis blieben.

Es hat tatsächlich den Anschein, als ob Hitler in Elser einen besonderen Menschen sah, eben einen Überzeugungstäter wie er, seinen „wahren Gegenspieler“. Für Elsers Freundinnen freilich wurde ihre allzu große Nähe zum Schorsch zum traurigen Schicksal. Am schlimmsten traf es seine Münchner Wirtin, Rosa Lehmann, die durch seine Tat ihren Mann und Ernährer verlor. Für Elser gab es nur eines: Er hatte sich den Auftrag gegeben, Hitler und Konsorten unschädlich zu machen, den galt es auszufiihren. Dahinter hatte alles zurückzustehen‘

Künstler Frankowitsch, Hella Schlumberger, dahinter Helmut Haasis und Manfred Maier beim Georg Elser Denkmal
Künstler Frankowitsch, Hella Schlumberger, dahinter Helmut Haasis und Manfred Maier beim Georg Elser Denkmal